Zur Serie: „Was hat denn ein FDP-Parteitag mit Müllsammlern im Kongo zu tun?“ 2011

Was hat der abgewirtschaftete Neoliberalismus mit der Ausbeutung der Bodenschätze in Afrika zu tun?
Was hat die aufgeblasene Gemeinschaftsarroganz der Gewinnerseite mit den Verlierern der Weltwirtschaft zu tun?
Was hat proklamierte moralische Integrität mit Kinderarbeit, Massenvergewaltigung, Verstümmelung, Auslöschung, Warlords, Waffenkauf, politische und staatliche Instabilität, „Privat“-Armeen, „Schutz“-Truppen, Söldnerfirmen, generell mit Geschäftsmodellen ausschließlicher Gewinnmaximierung zu tun, bei denen selbstverständlich über Berge von Leichen gegangen wird?
Was ist ein Menschenleben wert, wenn der Markt GOTT ist? Was ist Globalisierung? Nichts Neues. Entweder hat alles mit allem zu tun oder nichts bildet mit etwas anderem einen Zusammenhang, wie uns oft glauben gemacht werden soll.
Je schärfer die Zähne im täglichen Überlebenskampf gewetzt sind, desto dichter, sowohl regional als auch zeitlich gedrängt, hängt alles zusammen. Die Augen, weit blickend ins ALL, keinen Moment stillstehend, rund um und in die ihrerseits rotierenden Körper und Köpfe installiert, verweilen einzig beim Eurozentrismus, der auf den angehäuften Reichtümern aus den Anfängen des Kolonialismus beruht.
Die Angst des vereinsamten Raubtiers Mensch erlahmend hinter der Meute zurückzubleiben und im immer schneller werdenden Mehr und Weiter nicht mehr konkurrieren zu können, weist es als Sozialwesen aus, das das Wesen des Sozialen desto mehr aus den Augen verloren hat, je gerner es sich als INVESTOR sieht.

Was hat das alles mit Kunst zu tun? „Wiederaufbauperspektive in Frieden“? (Ehemaliger Außenminister Joschka Fischer für militärisches Engagement Deutschlands in Afghanistan.) Elfenbeinturm? Doch Krieg? „Das empfindet auch unsere Bevölkerung als etwas völlig Anderes!“(Ehemaliger Verteidigungsminister Jung: „kein Krieg in Afghanistan!“)
Was hat denn Kunst überhaupt noch mit Realität zu tun? Ist Kunst nicht ein eigenes Marktsegment ohne Sinn und Zweck für den Außenstehenden?
Kann Kunst unabhängig von ihrem eingepreisten Szene-Wert noch Kultur stiftend sein? (Die meisten stilbildenden Künstler waren zu ihrer Zeit kaum bekannt, geschweige denn anerkannt.)
Kunst gilt als schick, sogar die Boulevardpresse wird mittlerweile namhaft künstlerisch gestaltet. Die hinter den Glasfronten verbliebenen Wände werden vorzugsweise mit ungegenständlicher Kunst behängt, sie dekoriert den Büroalltag der Banken, Versicherungen und der Unternehmen, die etwas auf sich halten. Schöne neue Welt: scheinbar transparent, abgehoben, nichts sagend.
Wo ist das Sinnstiftende, Subversive, Authentische der Kunst geblieben, die durch die Diversität der Moderne zu Befreiungen führte, die jetzt nicht mehr zeitgemäß, nicht mehr modern seien, nicht mehr den geistigen Puls erfassen können sollen?
Wo Vielfalt, Freiheit, Offenheit, Mitbestimmung, Engagement beschworen wird, versucht man übers Gegenteil hinwegzutäuschen: Beliebigkeit, Versklavung, Verdrängung, Ausschluss von unbenötigtem Menschenmaterial, und die viel gerühmte INVESTITION ersetzt zuletzt das Engagement.
„Das ist die Wahrheit!“ wie Thomas Bernhard gesagt hätte; und die Kunst muss der Wahrheit verpflichtet bleiben: sie muss der Kreativität des denkenden Menschen verpflichtet bleiben, der mit allen Sinnen beobachtet und dadurch wach und (selbst-)kritisch bleibt.
Die Verbindung der freien (Hoch-) Kunst zur politischen Realität, oder wenigstens dessen, was von ihr zu erfassen ist, besteht generell – ob gewollt oder nicht. Sie ist also, ob sie sich dessen bewusst ist oder nicht, politisch und immer in politischen Zusammenhängen zwangsläufig so und nicht anders entstanden.
Das würde den Gleichmachern und Zeitgeist-Managern so passen, wenn sie, die Kunst, unberührt von denkenden Menschenfleisch, in Glasburgen, Elfenbeintürmen und Versteigerungs-Aulen, ausschließlich verbliebe und so, leblos verharrend, keine Machenschaften und (ästhetische) Vorstellungen mehr störend, auch keine poetischen Dimensionen mehr ausstrahlen würde.
Die elaborierte Sprache des Künstlers zwingt beides zur Einheit: Politik und Poesie.

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